Die eigene Geburtserfahrung

Während meiner langjährigen Arbeit in Geburtsvorbereitungskursen habe ich immer wieder Erfahrungen gemacht, die ich Ihnen hier mit einigen Fallbeispielen näher bringen möchte.
Ich erlebte, dass Frauen und Männer über spezielle Ängste in der Schwangerschaft bei der Geburt oder im Wochenbett sprachen. Selbst nach ausführlichen Informationen über die Vorgehensweise bei besonderen Gegebenheiten oder Komplikationen beruhigten sich die Sorgen und Ängste nicht.
Wenn ich dann die Frage nach der eigenen Geburt stellte, wurden immer  Parallelen zu den akuten Sorgen und Ängsten deutlich und bewusst.
Oft reichte die Erkenntnis über den Ursprung in der eigenen Biographie, damit die aktuellen Ängste sich legen konnten.

Hierzu zwei Beispiele:

1) Eine schwangere Frau im Vorbereitungskurs hatte große Sorge, dass ihr Mann nicht rechtzeitig zur Geburt kommen könnte. Nun waren die Umstände tatsächlich so, dass seine Arbeitsstätte, wo er sich vier Tage die Woche aufhielt, ca. 600 km entfernt war. Der Mann selbst war sehr zuversichtlich, und hatte alles gut organisiert, um rechtzeitig bei der Geburt da zu sein.
Als ich ihr die Frage nach ihrer Geburt stellte, erzählte sie, dass der Vater ihre Mutter ins Krankenhaus gefahren hatte und dann noch die Hebamme holen musste, die kein Auto besaß. Die Mutter war vollständig eröffnet und hatte Pressdrang. Sie hatte große Angst, dass ihr Mann nicht mehr rechtzeitig mit der Hebamme zurückkommen würde.
Als die Frau diese Parallele sehen konnte, beruhigten sich ihre Sorgen. Ihr Mann war ohne zeitlichen Stress bei der Geburt ihres Kindes dabei.

2) Eine schwangere Frau, die den Kurs zusammen mit ihrem Mann besuchte, plante eine Hausgeburt. Als die Hebamme den Geburtsverlauf erklärte, stellte der Mann immer wieder dieselbe Frage: „Was passiert, wenn der Kopf des Kindes nicht durchs Becken kommt?“. Selbst nachdem die Hebamme zum dritten Mal die Vorgehensweise fachlich genau beschrieben hatte, war er weiter beunruhigt.
Auch hier stellte ich die Frage nach seiner Geburt. Er war mit der Zange geboren worden, nachdem sein Köpfchen den Weg durchs Becken nicht alleine geschafft hatte. In den ersten Momenten nach seiner Geburt gab es große Sorgen, ob er Schäden zurück behalten würde. Zum Glück stellte sich dies als unbegründet heraus.
Nachdem der Mann die Verbindung zwischen seiner Frage und seiner eigenen Geburtserfahrung sehen konnte, war er sehr erleichtert und beruhigt.
Seine Frau hatte eine natürliche Geburt zu Hause und er konnte sie angstfrei begleiten und unterstützen.

Durch die Schwangerschaft, die Geburt und das Wochenbett sind Frau und Mann in der gleichen Situation, die sie als Baby erlebt haben. Da es eine sensible Phase ist, in der eine große Offenheit besteht, können Erinnerungen, die im Körper gespeichert sind, leicht ins Bewusstsein gelangen.
Das Schöne und Gute in dieser Zeit (der Schwangerschaft) ist, dass die eigenen Prägungen aus der prä- und perinatalen Zeit sehr leicht veränderbar sind. Die gespeicherten Gefühle werden schnell und leicht befreit.

Gerade unter der Geburt werden die Erinnerungen im Körper geweckt und er neigt dazu, bekannte Erfahrungen zu wiederholen.
Diese Wiederholungen lassen sich gerade bei der Geburt des ersten Kindes immer wieder beobachten. Meistens reicht hier eine bewusste Reflektion, damit eine neue Geburtserfahrung möglich ist.

Wenn Sie vor oder während der Schwangerschaft solche Belastungen wahrnehmen, sprechen Sie mit einer Hebamme oder einer speziell ausgebildeten Therapeutin. Sie können sich auch gerne direkt an mich wenden.
(Zu diesen Belastungen zählen auch traumatische Erfahrungen bei einer vorangegangenen Geburt eines älteren Geschwisters – siehe Geburt/Traumata.)

Da Geburt Teil der weiblichen Sexualität ist, können in dieser Lebensphase negative, sexuelle Erfahrungen aus der Vergangenheit auftauchen. Auch hier ist eine kurzfristige traumatherapeutische Begleitung befreiend. Diese Gefühle werden dann unter der Geburt nicht mehr zusätzlich aktiviert.